2016 Treffen sich ein Kabarettist und ein Diplomat … Text Dominik Baur

BAYERISCHE STAATSZEITUNG  21. Otober 2016

Kurzweilig und informativ: Gerhard Polt und Außenstaatssekretär Markus Ederer unterhalten sich über China

China. Ausgerechnet China. Drau- ßen schieben sich die Münchner in ei- ner gewaltigen Blechkarawane gen Bayrischzell, um auch ja den viel- leicht letzten warmen Sonntag des Jahres nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Und hier drin im Pfarrzen- trum im Schlierseer Ortsteil Neuhaus haben sich just zur Mittagsstunde rund 100 Menschen versammelt, um einem Podiumsgespräch über China beizuwohnen. Geladen hat der Kul- turverein Josefstaler Elefant, und wenn es stimmt, dass man ab dem drit- ten Mal schon von einer Tradition sprechen darf, so haben die Josefstaler Gespräche mittlerweile Tradition.

Interessant sind dabei nicht nur die Themen – Ukraine, Syrien und jetzt eben China – sondern vor allem auch die Gesprächspartner: Markus Ede- rer und Gerhard Polt. Die Rollenauf- teilung der beiden Freunde und Nachbarn ist klar: Ederer, Staatsse- kretär im Auswärtigen Amt, ist zu- ständig für die Informationen und de-

ren Bewertung, der Kabarettist Polt wiederum für kluge Fragen, amüsante Anmerkungen – und den Blick auf die Uhr. Denn schließlich müsse man ja noch „zu einer Ente“. Und da ein hu- moristisches Schwergewicht wie Polt sich auch mal einen Kalauer erlauben darf, fügt er noch hinzu: „Aber nicht zu einer Pekingente.“

„Dass a uns a bisserl an Chinesen spielt“, wünscht sich Polt von Ede- rer. Die Frage, die der Veranstaltung ihren Titel gibt, lautet: „China – Par- teidiktatur oder strategischer Part- ner?“ Aber Ederer, der als Botschaf- ter des Europäischen Auswärtigen Dienstes selbst drei Jahre in China gelebt hat, schickt gleich vorweg: „Sie werden von mir keine befriedi- gende Antwort auf das Entweder- Oder hören, sondern sehr viel So- wohl-als-auch.“

Das Bild, das Ederer vom Reich der Mitte zeichnet, ist so auch das ei- nes Reichs der Widersprüche. „China ist der größte CO2-Emittent und zu-

gleich der größte Produzent von So- larpanelen und Windkrafträdern.“ Der vielleicht eklatanteste Wider- spruch, den Ederer feststellt, ist der zwischen Wohlstand und Unterdrü- ckung. In keinem Land der Welt füh- ren so viele 7er-BMWs wie in China, die Bevölkerung sei noch nie so frei gewesen wie heute, und doch gebe es eine gnadenlose Verfolgung von Re- gimegegnern durch die Regierung. Er selbst habe einige Menschen ken- nengelernt, die inzwischen zu le- benslanger Haft verurteilt worden sind.

Zu Chinas weltpolitischem Vorge- hen fällt Ederer vor allem ein Wort ein: Salamitaktik. Die sei langsam, aber effektiv. „Über wirtschaftliche Abhängigkeiten schaffen die Chine- sen politische Abhängigkeiten“, sagt der Diplomat. So baue die Volksre- publik gerade eine Bahnstrecke von Budapest nach Belgrad. Es sei mithin wenig verwunderlich, dass Ungarn nun in der EU bei Entscheidungen,

die etwas mit China zu tun hätten, ständig aus der Reihe tanze. So stra- tegisch geschickt China aber im Wes- ten seine Salamimethode verfolge, so hart tue es dies oft in Südostasien. Wodurch es das Vertrauen all seiner Nachbarn verliere – inklusive Indien, wo schon bald mehr Menschen leb- ten als in China.

In einem Parforceritt geht es dann noch durch eine Vielzahl von The- men wie chinesischen Firmenüber- nahmen in Deutschland über Nord- korea, Tibet und die Uiguren bis hin zum chinesischen Geschichtsbe- wusstsein. Das Fazit am Ende: Wir wissen nichts von den Chinesen und sie nichts von uns. „Wir müssen mehr Chinesisch lernen.“ Zum The- ma Verständnisschwierigkeiten hat auch Polt noch einen Beitrag: „Ein älterer Chinese hat mal zu mir gesagt: Er habe da einen Film gesehen, einen deutschen, den er nicht verstanden habe. Und der hieß Der Förster vom Silberwald.“ > DOMINIK BAUR